Abtreibung oder das recht auf leben
THEMEN DER ZEIT: Tagungsberichte Abtreibung: Wann beginnt das Lebensrecht? Mai in der Abtreibungsfrage übte auf einer Tagung im fränkischen Kloster Banz der Mainzer Rechtsphilosoph Prof. Norbert Hoerster. Er befand sich damit völlig im Einklang mit dem Veranstalter, dem Verein "Ärzte für das Leben". Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Abtreibungsfrage hält Prof. Norbert Hoerster im Grunde für Heuchelei. Danach bleibe nämlich das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Leben dem menschlichen Embryo vorenthalten, obwohl von den Richtern jedes einzelne vorgeburtliche Leben "um seiner Einmaligkeit und seiner individuellen Menschenwürde willen" für schutzbedürftig erklärt worden sei. Interessenorientierte Philosophie Das Bundesverfassungsgericht erkläre zwar jede Abtreibung, die nicht unter eine der drei gesetzlich anerkannten Indikationen medizinische, embryopathische und kriminologische falle, für rechtswidrig und verboten, wie es sich zwingend aus dem Lebensrecht des Ungeborenen ergebe. Trotzdem ziehe das Gericht für die ersten drei Monate eine Beratung einer Bestrafung vor.
Abtreibung und Ethik: Eine kontroverse Debatte
Und zwischen Beratung und Eingriff vergehe ohnehin immer mindestens ein Tag. Das Ganze hält sie für eine Stimmungsmache gegen Frauen: «Diese Initiativen sind nicht realpolitisch, sondern ideologisch motiviert und instrumentalisieren die Fristenregelung gegen Frauen. Dass sich die Bevölkerung so spalten lässt wie in den USA glaubt Barbara Haering nicht. In der Schweiz sei die Bevölkerung viel weniger polarisiert. Der legale Abbruch bis zur Woche der Schwangerschaft werde kaum in Frage gestellt. Er sei breit akzeptiert und die Position der Frauen gefestigt: «Diese Gesellschaft ist so stark auf uns Frauen angewiesen, dass sich für die Schweiz nicht mit diesem Backlash rechne. Der Verein «Marsch fürs Läbe» setzt sich gegen Schwangerschaftsabbrüche ein. Mediensprecherin Beatrice Gall sieht die legale Abtreibung nicht gefährdet, aber sie stört sich an der Wortwahl: «Es gibt nicht ein Recht auf Abtreibung, eigentlich gibt es ein Recht auf Leben. Und eine Abtreibung darf eigentlich nur stattfinden unter bestimmten Umständen.
| Das Recht auf Leben versus Schwangerschaftsabbruch | Juni Ein schwül-warmer Abend im Sitzungssaal des Bonner Wasserwerks, dem provisorischen Sitz des Deutschen Bundestages. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt in der Bundesrepublik die sogenannte "Indikationslösung": Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur in bestimmten Notlagen straffrei - zum Beispiel, wenn das Leben der Frau oder des Kindes gefährdet ist, nach einer Vergewaltigung oder aus schwerwiegenden sozialen Gründen. |
| Gesellschaftliche Perspektiven auf Abtreibung | Einige Elemente auf SRF. Zwei Volksinitiativen wollen den Zugang zur legalen Abtreibung einschränken. |
Das Recht auf Leben versus Schwangerschaftsabbruch
Ist der Embryo bereits ein "Mensch"? Im biologischen Sinne ja, glaubt Norbert Hoerster. Daraus allein folge jedoch nicht, dass dieses menschliche Wesen im Frühstadium seiner Existenz bereits als Mensch im Vollsinn betrachtet werden müsse. Die Verfassung unseres Staates garantiert in ihren Artikeln 1 und 2 jedem "Menschen die Unantastbarkeit seiner "Würde" und das "Recht auf Leben". Das Recht auf Leben ist dabei von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Zulässigkeit der Tötung von Embryonen - sei es im Mutterleib, sei es im Reagenzglas - geht. Wenn bereits der Embryo als "Mensch" im Sinn der Verfassung zu gelten hat und somit das Recht auf Leben besitzt, so hat dies folgende, sehr weit reichende Konsequenzen. Erstens muss die Abtreibung generell - die Frühabtreibung ebenso wie die Spätabtreibung - rechtlich verboten sein. Diskutabel wäre allenfalls eine Abtreibung, die der Abwendung des Todes oder einer gravierenden Gesundheitsschädigung der Schwangeren dient. Die üblichen Abtreibungen in unserer Gesellschaft jedoch, die nur dazu dienen, eine der Frau unerwünschte Schwangerschaft zu beenden, sind mit einem Lebensrecht des Embryos als eines Menschen vollkommen unvereinbar.
Gesellschaftliche Perspektiven auf Abtreibung
Die Zeit ist reif für eine solche Entscheidung, einen Entscheidungsprozess, den die Männer nur begrenzt nachempfinden können. Wir können ja auch nicht ungewollt schwanger werden. Dieser Konflikt zwischen zwei Grundwerten bestimmt die Debatte. Ein stündiger Redenmarathon bis spät in die Nacht, mit mehr als Redebeiträgen und sieben Entwürfen zur Abstimmung: Es ist eine der längsten - und eindrücklichsten - Bundestagsdebatten in der Geschichte der Bundesrepublik. Getragen von gegensätzlichen Moral- und Gesellschaftsentwürfen, aber auch von gegenseitigem Respekt. Der Ton war aber nicht bösartig, sondern nachdenklich. Aber es war schon so, dass Leute, wie ich selber, sehr engagiert waren", erinnert sich Ingrid Matthäus-Meier, damals als Abgeordnete der SPD im Bundestag und ebenfalls Unterstützerin des Gruppenantrags. Der Paragraf , so das zentrale Argument ihrer Rede, sei noch niemals in seiner Geschichte geeignet gewesen, verzweifelte Frauen von einer Abtreibung abzuhalten: "Der Paragraf war auf diese Weise zwar der wirkungsloseste Strafrechtsparagraf, was den Schutz des werdenden Lebens anging.